Von meiner Weltreise zurück, vermisse ich manchmal die Zeit. Wenn ich im Alltag versuche, alles unter einen Hut zu kriegen, nebst einem Berg Arbeit die Zeit für meine Freunde freizuschaufeln und meine Familie mindestens unregelmässig zu sehen, vermisse ich sie ganz besonders. Und wenn ich mich mit Freundinnen zum Feierabendbier treffe und insgeheim daran denke, was ich noch einkaufen sollte und ob es noch reicht, den längst überfälligen Artikel fertigzustellen, dann werde ich manchmal richtig wehmütig.
Es wird mir erst jetzt richtig bewusst, was eigentlich das Schöne an einer Weltreise ist. Die Zeit. Zeit zu haben, nichts zu tun. Zeit zu haben aufzuwachen und erstmals zwei Stunden zu frühstücken. Und dann mal weitersehen. Oder eben auch nicht.
Klar, all die verrückten Erlebnisse, all die Menschen, die Unterwasserwelten, die Surfsessions, die wilden Partynächte und das Ganze noch in exotischen Sprachen mit Menschen aus allen möglichen Nationen, dass hat seinen ganz besonderen Reiz. Und ist oft genau so verrückt, wie es sich anhört. Aber die Zeit, die Zeit die vermisse ich dennoch ganz besonders.
Ich merke es, als ich im ICE von Bern nach Mainz sitze. Während ich zum Fenster rausschaue, zieht die Landschaft an mir vorbei. Die Sonne geht unter und Süddeutschland taucht in ein Mix aus gelb, orange und rot. Es ist schön. Und ich schaue einfach raus und lasse meinen Gedanken freien Lauf. Ich denke an alles mögliche. An die Arbeit. Habe ich vor dem langen Wochenende auch wirklich alles erledigt? Ist nichts vergessen gegangen? Was habe ich vergessen einzupacken für die Reise? Natürlich habe wieder mal die eine Hälfte liegengelassen, es musste ja schnell gehen. Und dann ziehen meine Gedanken weiter, zu meiner Familie, meinen Kollegen und meinem Freund. Ich denke an bevorstehende Ereignisse, an vergangenes, alles mixt sich irgendwie und meine Gedanken springen in unlogischer Reihenfolge von einem zum nächsten.
Ich überlege, was war und stelle mir vor, was sein könnte. Irgendwie stellen sich wohl immer die selben Fragen: Was will ich im Leben, wo komme ich her, wo gehe ich hin? Nicht, dass diese Fragen akut in mir brennen, aber sind das nicht dieselben Fragen, die immer wieder auftauchen, ganz egal, an welchem Punkt im Leben man sich befindet? Ändern tut sich offensichtlich nicht viel, nur die Antworten können vielleicht mal anders ausfallen.
Bin ich glücklich, so wie ich im Moment lebe? Ja. Ich habe alles, was ich will. Mir geht es gut. Wenn ich was zu nörgeln habe, dann sind es höchstes ein paar Wohlstandsprobleme. Aber nichts, was wirklich erwähnenswert wäre. Im Stress des Alltags gehen solche Erkenntnisse leider manchmal verloren. Ganz einfach darum, weil wir uns die Zeit nicht nehmen, nachzudenken, den Gedanken freien Lauf zu lassen, über das Leben zu sinnieren.
Genau diese Art von Zeit vermisse ich manchmal. Denn auf Reisen war das der wahre Luxus. Einfach in den Tag rein zu denken. So lange ich wollte. Das wird mir erst jetzt bewusst. Ganz besonders die Zeit zwischen zwei Destinationen, wenn es sonst nichts anderes zu tun gab als aus dem Fenster zu schauen, die Landschaft vorbeiziehen zu lassen und nachzudenken.
Aber vielleicht ist genau das der Grund, warum mir meine Reise zwischen Bern und Mainz guttut. So habe ich wieder mal vier Stunden, in denen es genau um das geht. Einfach zu sein und den Gedanken freien Lauf zu lassen. Und zu merken, worin eigentlich der Reiz meiner Langzeitreisen bestanden hat. Denn auch wenn vordergründig die Erlebnisse und die fremden Kulturen ausschlaggebend sind, was mir eigentlich gut getan hat, war Zeit zu haben, Zeit, einfach zu sein.